Nervös
- Fleur Mäander

- 20. Nov. 2019
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 22. Apr. 2021
Mittwoch:
Unsere Hündin ist gerade vom Tierarzt in die Tierklinik überwiesen worden. In 17 Jahren, die wir mit Hunden leben, haben wir diese Erfahrung noch nicht machen müssen. Wir warten auf das Labor, die Untersuchungen. Komisch... erst jetzt wird mir bewusst, wie sehr sie mich im Alltag begleitet und gegenwärtig ist. Es ist so still. Sie fehlt, der Waldgang ...und Vieles mehr. Was wäre, wenn sie nicht mehr gesund wird? Sieben Jahre haben wir jetzt miteinander verbracht.
"Im ersten Jahr bist du über jeden Zaun gesprungen, den wir immer höher ausbauen mussten. Das war lustig und nervig zugleich. Viel beruhigt hast du dich nicht. Noch immer fragen uns Spaziergänger, ob du ein junger Hund bist. Du bist so auf Menschen bezogen.
Im Wald meinst du Spaziergänger müssten dich erst um Erlaubnis fragen, ob sie dort herlaufen dürften. Du wartest, bis sie an uns vorbei gegangen sind und du sie für würdig genug befunden hast. Ansonsten kann ich nicht weitergehen."
"Auf jeden Fall musst du uns warnen und verteidigen vor Pöstlern und Handwerkern, abbremsenden Autofahrern oder Velofahrern, die sich unterhalten, während sie an unserem Haus vorbei fahren."
"Du hörst, wenn der Mann heimkommt, da er in die Einfahrt einbiegt. Wenn die Schafe blöken weisst du ebenfalls, dass jemand zu uns kommen will und stimmst mit ein.
Du bekommst am Morgen die Endstücke vom Käse und am Abend dein Brot, du hörst auf einzelne Wörter, weil du weisst, was dann passiert. Wenn Du z.B. hörst: Also...stehst du auf, weil du weisst, dass es nach draussen geht."
"Und du kannst nie genug Streicheleinheiten bekommen. Leider hältst du nicht still dabei. Du ungestümes geliebtes Wesen. "
Wenn Tiere leiden, leide ich mit. Jetzt habe ich Bauchschmerzen beim Warten auf die Ergebnisse….
Tierisch, aber menschlicher Schmerz
Später in der Woche:
"Du hast mich zuerst gar nicht angeschaut, als ich dich in der Tierklinik begrüsste, sondern nur den Welpen im Wartezimmer und geknurrt."
Daraufhin sind wir in ein anderes Zimmer geführt worden. Ich habe dich die ganze Zeit gestreichelt und mit dir in unserer Kosesprache geredet. Du hast dich nicht besonders gefreut. Warst du verwirrt? Hast du dich verlassen gefühlt von mir/uns? Wegen deiner Schwäche und Müdigkeit musstest du deinen Kopf immer wieder ablegen und hast leise vor dich hin gewinselt. Ich habe mich hingehockt oder du zu mir und weiter in unserer gemeinsamen Sprache und Tonlage gesprochen. Ich wusste, du verstehst sie. Ich wollte dir Sicherheit geben.
Du hast anders reagiert, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich war enttäuscht, weil ich dich erfreuen wollte und dir neue Kraft geben. Ich dachte, du würdest dann vielleicht wieder anfangen zu fressen...
Das war wohl ein Irrtum. Dein Anblick machte mich traurig, aber ich habe meine Gefühle zurückgehalten. Deine weisse Pfoten und die Schwanzspitze waren gelb, sowie die Augäpfel. Das Ausmass hat mich erschrocken! Woher kam die Verfärbung des Fells? Oder war das Desinfektionsmittel?
Irgendwann kam die Praxisassistentin und du hast so getan, als wäre sie ich:
gewedelt, freudig sie begrüsst, deine speziellen Laute von dir gegeben.
Oh, das tat weh, stach mir ins Herz.
"Aber du kannst ja nichts dafür. Wir konnten ja nicht ständig bei dir sein. Du warst allein, sehr krank und du brauchtest nette Menschen und ihre Nähe um dich."
In der Schweiz sagen viele weibliche Wesen: Jööööö, wenn sie ein niedliches Kind oder Tier sehen. Lisa kennt dieses Wort und reagiert auch bei total fremden Menschen (hier z.B. in der Tierklinik) auf diese Zuneigung und freut sich in ihrer ihr ureigenen Art.
Die gute Behandlung in der Tierklinik hat sie bestimmt unterstützt in der Krise und ich danke allen Beteiligten sehr für ihr Engagement!
Mein Schmerz bleibt. Aber er ist tierisch-menschlich. Denn Menschen, wie du und ich, die Tiere lieben möchten doch auch wieder geliebt werden… Ich hoffe, sie kann bald heim die Gute und dann sehen wir weiter, wie es ihr geht und wie wir sie aufpäppeln können.
Am Wochenende:
"Gestern Abend hast du mich dann Zuhause begrüsst und bist auf mich zugelaufen. Dich wieder Zuhause zu haben ist schön."
Es ging alles so schnell. Wir sind kaputt von den vielen Emotionen und organisatorischen Sachen, die erledigt werden mussten in dieser Woche. Es ist ungewohnt und traurig unsere Hündin so müde zu sehen. Wir wünschen ihr alles Gute!

Heute-fast zwei Wochen später-geht es ihr wieder gut. Wir sind erleichtert, aber die Angst, dass so etwas vielleicht wieder passieren könnte, bleibt.





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