Ein Fall für einen Tag
- Fleur Mäander
- 28. März 2020
- 2 Min. Lesezeit
Ich merke, dass ich dünnhäutig bin. Ich reagiere schnell empfindsam oder gereizt, kann nicht viel vertragen. So ging ich schon zur Arbeit. Diese weltweite Pandemie mit ihren unerfreulichen Konsequenzen schlägt mir auf das Gemüt. Ich spüre die Spannungen am Arbeitsplatz. Ständig neue Hygienemassnahmen umsetzen, warten, vorbereiten, ob der Virus auch zu uns kommt….abgesagte Veranstaltungen, geäusserte Ängste, Überreaktionen, Misstrauen.
Zuhause geht es mir gut. Ich geniesse das Dasein ohne Zusatztermine. Heute war ich wieder kreativ und es hat Spass gemacht.
Dann die Ankündigung am Morgen, dass jemand mit mir sprechen will. Es wird am Nachmittag sein. Ich weiss, worum es gehen wird: Eine Situation, in der ich mich unschön verhalten habe. Das war nicht die feine Art. Ich wollte keinem schaden. Wahrscheinlich werde ich darauf angesprochen.
Es war so. Ich habe mir alles angehört und konnte danach etwas sagen, musste es aber nicht. Mir wurde berichtet, wie ich gewirkt habe. Das zu hören war nicht leicht. Verstanden habe ich die Kritik, aber es tat weh. Ich habe mich entschuldigt, meine Situation kurz dargestellt. Irgendwann kamen die Tränen. Ich konnte sie nicht unterdrücken. Scham stieg in mir auf, weil ich anders erlebt wurde, als ich mir dies von mir selbst wünsche und erwarte. Meinem eigenen Anspruch konnte ich nicht genügen…
Aber ich habe die Kurve gekriegt. Wir verabschiedeten uns damit, dass alles ausgesprochen und somit «erledigt» ist. Danach war ich wirklich erleichtert und es bleibt kein Rest, nur Erinnerung und ab und zu erneute Analysen der Situation.
Fehler kann man nicht immer entschuldigen, manchmal erklären, warum sie passiert sind.
Das habe ich versucht. Ich weiss, dass ich in Stress komme bei bestimmten Voraussetzungen. An dem Tag kamen ein paar Dinge zusammen und führten genau zu dieser Situation und ich wollte es eigentlich besonders gut machen. Aber im Stress verliere ich Details und manchmal den Überblick, mich selbst und meine Vorsätze.
Es ist schwierig für mich konzentriert zu arbeiten, wenn viele verschiedene Aufgaben auf mich warten, ich dauernd zwischen ihnen hin- und herspringen, aber alles rechtzeitig erledigen muss. Da komme ich an meine Grenzen.
Ich habe eine lange Leitung und bin trotzdem manchmal sehr spontan. Das klingt paradox. Aber genauso ist es. Im Stress spontan getroffene Entscheidungen, herausgeplatzte Kommentare und Fragen wirken für manche wahrscheinlich wie aus einer anderen Welt: unlogisch, rätselhaft, dumm, verwirrt. Das wurde mir nach diesem Gespräch wieder bewusst.
Wenn man mich gut kennt, kennt man auch meine Aussetzer. Aber im Allgemeinen wird meine Art geschätzt. Und es ist ok, wenn manche lieber mit anderen arbeiten, die durchschaubarer sind. Ich hoffe, man kann sich zumindest meistens auf meine Menschlichkeit verlassen. Das wäre mir recht.
Ich muss mir jetzt selbst vergeben und wirklich loslassen. Und es war ein Fehler, kein Verbrechen….!
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